Mit diesem Blogpost starte ich auch eine Art Hobbybrauer Lab. Die Idee habe ich schon seit langer Zeit. Dabei möchte ich Sude aufteilen, um z.B. verschiedene Hefen miteinander vergleichen zu können. Den Anfang macht ein sehr aktuelles Thema. Wie neutral sind sie wirklich, die cleanen Kveiks?

Neutrale Kveiks
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Nachdem ich bereits die Oslo und die Lutra im Einsatz hatte und wirklich begeistert war, wie neutral sie sich bei sehr hohen Gärtemperaturen verhalten, wollte ich es nun wissen und habe einen Splitbatch gemacht. Damit möchte ich auch gleichzeitig eine Art Lab Series starten und freue mich auch auf eure Ideenvorschläge. Was interessiert euch, was muss man im 1:1 Versuch unbedingt mal ausprobieren?

Für meine Experimente in dieser Reihe wurde ich übrigens von der Firma Speidel unterstützt, die mir drei 12 Liter Gärbehälter zur Verfügung gestellt haben. Diese eignen sich für solche Splitbatches einfach klasse, sind einfach zu reinigen und -wie gewohnt- qualitativ hochwertig.
Das Rezept
Für diesen Versuch habe ich ein Pils gebraut und das Rezept bewusst einfach gehalten. Die Hefen sollen zeigen, was sie können und die Würze so neutral wie möglich vergären. Die Schüttung bestand zu 100% aus Pilsener Malz. Beim Kochen kam etwas Mittelfrüher in die Vorderwürze und Magnum zum Bittern zum Einsatz. Das war’s. Ich habe gezielt, dass gleiche Rezept, wie bei meinem Brautag mit der Lutra verwendet, um auch noch den Quervergleich zu ihr ziehen zu können.

Die Akteuere
In diesem Experiment treten die Lutra von Omega Yeast, die Krispy von Escarpment Labs, die Oslo von Bootleg Biology und die gute, alte Saflager w34/70 von Fermentis gegeneinander an.

Krispy
Die Krispy kommt ganz frisch aus dem Hause Escarpment Labs aus Kanada. Hier hat man den Trend der neutral vergärenden Kveiks erkannt und einige Kulturen verglichen. Herausgekommen ist ein Blend aus 2 Skare Strängen.
Lutra
Bei der Lutra handelt es sich um einen aus der Hornindal Kveik isolierten Hefestrang. Gefunden wurde er eher zufällig. Bei einer Brauer-Konferenz in Ohio brachte ein Brauer sein neues German-style Pislener mit. Dieses hatte er mit der Hornindal Kveik bei 21°C vergoren. Es war super clean und erfrischend, obwohl es mit einer Kveik vergoren wurde, die eher für ihre fruchtigen Ester bekannt ist und somit gern als Hopfen-Supporter in IPA’s zum Einsatz kommt.
Die Hornindal besteht aus mindestens 9 Hefesträngen und bei Omega Yeast machte man sich an die Arbeit den einen Hefestrang zu finden, der so schön klar vergären kann. Long Story short: man hat ihn gefunden.
w34/70
Der bekannte untergärige Hefestamm aus Weihenstephan. Er wird weltweit von Brauereien eingesetzt. Dieser Hefestamm erlaubt es sehr cleane und crispe Biere zu erzeugen.
Oslo
Die Oslo ist der erste kommerzielle, untergärige Hefestrang, welcher in einem Bier der norwegischen Brauerei Eik & Tid gefunden und von Bootleg Biology isoliert wurde. Die Oslo soll bei bis zu 37°C sehr neutral vergären! 🤯
Ich habe bereits mit der Oslo gebraut 👉 Oslo Pils und kann nur sagen, dass die Hefe wirklich crazy ist. Das Pils wurde wirklich sehr lecker.
Zweck
Bevor es los geht, möchte ich noch darauf eingehen, was Sinn & Zweck des Experiments sein soll. Dass die w34/70 bei richtiger Handhabung super cleane, untergärige Biere hervorbringen kann, steht außer Frage. Sie wird nach ausreichender Reifezeit als Referenz Hefe in diesem Experiment dienen.
Die Lutra und die Krispy sind obergärige Kveiks, die eine weite Temperatur-Range haben. Ziel war es, die Vorteile einer Kveik zu nutzen und zu sehen, ob trotzdem neutrale Biere dabei entstehen. Deshalb habe ich diese beiden bewusst in der oberen Temperaturbereich vergären lassen. Auch die Oslo arbeitet noch bei sehr hohen Temperaturen und soll trotzdem ihre neutralen Eigenschaften behalten. Man kann die 3 Kveiks auch bei 20°C anstellen und vergären. Der Vorteil der extrem schnellen Gärung ist damit aber nicht mehr gegeben.

Ablauf
Nach dem Kochen habe ich die Würze auf 32°C abgekühlt und auf drei Speidel Gärbehälter aufgeteilt. Ein Eimer habe ich direkt mit der Krispy angestellt, ein zweiter wurde mit der Oslo geimpft und beide anschließend bei 28°C vergoren.
Batch Nummer 3 kühlte ich bis auf 8°C ab und gab dann zwei Päckchen rehydrierte w34/70 dazu. Die Gärung lief anschließend bei 10°C ab.
Den Lutra Batch hatte ich bereits zwei Wochen zuvor gebraut und vergoren.
Nach Abschluss der Gärung wurde jeder Batch in ein Keg gefüllt und anschließend auf 5,2 g/l CO2 zwangskarbonisiert. Die Biere durften dann bei 5°C im Kühlschrank für 4 Wochen reifen.
Leider klappt nicht immer alles…
Anmerkung: Die Variante mit der Oslo hatte nach der Gärung einen Fehlaroma entwickelt. Da sie mittlerweile in der 5. Führung war und unterschiedliche Hobbybrauer besucht hatte, vermute ich eine Kontamination mit Fremdorganismen. Super schade, damit ist die Oslo aus dem Rennen. #hobbybrauerlife Deshalb werde ich im Folgenden nur noch die Krispy, Lutra und die w34/70 miteinander vergleichen. Ich habe aber bereits mit der Oslo ein erstaunlich cleanes Pils gebraut: Klick!
Die Gärung

Da es in diesem Versuch nicht nur auf das Ergebnis ankommt, sondern auch auf das Gärverhalten, möchte ich auch hier noch ein paar Infos anbringen. Denn hey(!) wir vergären mit Kveik, bei fast 30°C also sollte die Gärung ja in 2-3 Tagen durch sein, während sich die w34/70 schnarchig von °P um °P durch futtert, oder?
Lutra | Krispy | w34/70 | |
sEVG | 76% | 80% | 77% |
pH Wert | 4,2 | 4,1 | 4,4 |
Gärdauer | 6 Tage | 3 Tage | 10 Tage |
Beim Endvergärungsgrad waren die Hefen recht gleich auf, was den direkten Vergleich und vor allem die Verkostung sehr spannend macht. Auf jeden Fall kann man schon erkennen, dass sowohl die Lutra, als auch die Krispy schöne crispe und schlanke Biere erzeugen können.
Am schnellsten im Ziel war die Krispy. Bereits zwei Stunden nach dem Anstellen hat der Gärspund geploppt. Wahnsinn! Etwas länger hat die Lutra gebraucht und auch die w34/70 hab ich schon langsamer erlebt. Vielleicht hat sie mitbekommen, gegen wen sie antritt und hat sich extra beeilt. 😄
Mind the pH Gap
Super interessant ist auch der finale pH Wert. Kveiks senken diesen mehr als übliche Ale- oder Lagerhefen. Dazu habe ich einen Blogpost veröffentlich: Kveik und der pH Sprung. Beim Brauen mit Kveik sollte man das unbedingt bedenken. Ich stelle den Maische pH Wert dann meistens bei 5,6 ein. Auch bei diesem Experiment habe ich das so gemacht. Trotzdem ist die Krispy-Variante sehr niedrig gelandet. Etwas besser lief es bei der Lutra und die w34/70 landete locker darüber.
Wie schmecken sie nun?
Auf’s Verkosten war ich natürlich extrem gespannt. Die Biere habe ich aber auch anderen Hobbybrauern und Biersommelliers geschickt. Die Verkostungsnotizen habe ich hier kurz zusammengefasst.
w34/70 | Krispy | Lutra | |
---|---|---|---|
Aussehen | starke Trübung, gold gelb, weißer cremiger langanhaltender Schaum | leichte Trübung, gold gelb, weißer feinporiger kurz anhaltender Schaum | glanz klar, gold gelb, weißer feinporiger lang anhaltender Schaum |
Geruch | Getreidig, würzig, kräutrig, Diacetyl | Getreidig, kernig, leicht phenolisch | Mandarine, getreidig, weinartig |
Geschmack | Weiches Mundgefühl, getreidig, würzig, Bittere gut eingebunden, clean | Vollmundig, leicht estrig, Bubble Gum, etwas harschere Bittere, “leer”, leichte Säure | Weiches Mundgefühl, leicht karamellig, etwas Diacetyl, Bittere gut eingebunden |

Für mich und für fast alle Verkoster ist die Lutra klarer Sieger im Vergleich mit der Krispy. Sie ist in diesem Versuch am nächsten an ein Lager-ähnlichen Charakter herangekommen. Ein leicht Mandariniges Aroma kann man nicht leugnen und auch eine dezente Diacetylnote ist erkennbar. Jedoch ist das eher dem Geschmack zuträglich, als störend. Das Bier schmeckt ansonsten recht neutral und angenehm rund, da auch die Bittere wunderbar eingebunden ist.
Die Krispy-Variante ist ganz anders geworden. Das Bier ist wunderbar schlank und crisp geworden. Jedoch bringt diese Kveik defintiv fruchtig-phenolische Ester mit, die mich an das Bubble Gum Aroma in belgischen Bieren erinnert haben. Es ist dezent, aber in so einem Bier deutlich erkennbar. Zudem hat sie den pH Wert des fertigen Bieres deutlich gesenkt, was zu einer leicht säuerlichen Note und einer etwas harscheren Bittere führt. Zudem wirkt das Bier etwas leer.
Zu wenig FAN
Und die w34/70? Diese Variante braucht einfach noch etwas. Sie kommt noch etwas unrund und “jung” daher. Sobald sie ausreichend reifen konnte, werde ich die drei erneut miteinander vergleichen. Was ich aber festgestellt habe, ist, dass sich bei der w34/70 ziemlich deutlich Diacetyl eingeschlichen hat. Vermutlich liegt es daran, dass ich eine Kombirast gefahren und nicht (wie sonst bei untergärigen Bieren) tief eingemaischt habe, um ausreichend FAN (Freie Aminostickstoffe) zu erzeugen.
In der Würze kann ein niedriger FAN-Gehalt mit einem hohen Gehalt an Diacetyl einhergehen. Das liegt daran, dass bei einer Fütterung der Hefe in den Hefezellen die Synthese von Aminosäuren (Valin) einsetzt. Dadurch entsteht mehr Diacetyl.
DIE BIERBRAUEREI BAND 2 – LUDWIG NARZISS und Werner Back





Fazit
Bleibt festzustellen, dass man mit Kveik recht neutrale Biere erzeugen kann. Jedoch ist es ein Wunschgedanke mit den obergärigen Vertretern der neutralen Kveiks ein Bier brauen zu können, dass wie ein Pils schmeckt. Leichte fruchtige Ester sind bei jeder Variante present. Das kann an der hohen Gärtemperatur liegen, aber genau darin liegt ja der Vorteil von Kveiks. Man könnte auch noch mal einen Vergleichs-Sud brauen und die Kveiks am unteren Temperatur-Spektrum vergären, dann könnte man aber auch schon fast eine US-05 nutzen und bei 17-18°C anstellen.
Meiner Meinung nach sind optimale Anwendungsbereiche für diese Kveiks Bierstile, die ein neutrales Hefeprofil erfordern, aber auch bereits eine gewisse Aromenvielfalt im Gepäck haben. In einem Westcoast IPA oder einem APA würde die leichte Mandarinen-Note einer Lutra sogar sehr gut passen.
Die Sude aus diesem Test sind alle sehr lecker geworden (bis auf die Oslo 😅). Wenn ihr ein leckeres, obergäriges Bierchen mit leichten Fruchtestern brauen wollt, dann seid ihr mit der Krispy oder der Lutra gut bedient. Zudem verläuft die Gärung sehr schnell und das Bier ist sofort trinkbar und benötigt wenig Reifezeit.
Probiert es aus!
Prost🍺
Paul
Hi.
Du hast mit hohen Temperaturen vergoren. Wäre es aber für ein Lager Like nicht interessant, welches Ergebnis man mit Zimmertemperatur bekommt, also mit 18-20 Grad Celsius?
Dann sollten auch die von der Hefe erzeugten Aromen geringer ausfallen.
Gruß
Andy
Hi Andi, das war auch eine Überlegung, aber wie ich geschrieben habe, wollte ich den Riesen Vorteil von Kweik (Hohe Gärttemperatur = schnell vergoren) in Verbindung mit dem beworbenen cleanen Geschmack ausprobieren. Insbesondere bei der Lutra kann ich aber sagen, egal welche Gärtemperatur, eine leichte Mandarine ist immer dabei.