Unkonventionell und vielseitig,
faszinierend und mysteriös zu gleich – Kveik. Diese Hefe erlebt zur Zeit einen wahren Aufschwung. Fast vergessen, doch einige norwegische Brauer haben sich auf die Fahne geschrieben Kveik zu erhalten und zu verbreiten. Aber was ist Kveik eigentlich?
Der Blogger Lars Marius Garshol (eigentlich Software-Ingenieur) hat durch seine Forschungen die Kveik weltweit bekannt gemacht und sich zu DEM Kveik-Experten entwickelt. Sein Blog hat mich auf die Spuren der Kveik gebracht. Alle Infos, die ich zusammentragen konnte und mein eigenes kleines Kveik-Experiment gibt’s jetzt:
Definition – Kveik, Yester, Gjær…
Kveik (übrigens gesprochen, wie geschrieben) ist eine traditionelle Bierhefe, welche aus dem Westen Norwegens stammt. Über Generationen wurden dort die Kveik-Stämme nur von bestimmten Familien bzw. in speziellen Regionen verwendet. Sie waren mehr oder weniger Erbstücke und wurden von Generation zu Generation weitergegeben.
Kveik ist im Prinzip ein Begriff für Hefe, aber nur in einigen Regionen Norwegens. In anderen Gebieten wird auch von Yester, Gjær oder Gong gesprochen. Kveik ist also eher ein Dialektwort. Die unterschiedlichen Kveik Stämme wurden meist nach ihrem “Besitzer” oder nach der Region, aus der sie stammen, benannt.
Einfach ausgedrückt, ist Kveik nicht purifizierte, norwegische Farmhouse Hefe.
Die echte Kveik besteht meist aus mehreren Hefesträngen und zum Teil auch aus Bakterien.
Genau hier liegt der Unterschied zu den mittlerweile zum Teil kommerziell erhältlichen Kveiks. Denn einige Hefebanken bieten bereits Kveiks an. Jedoch sind diese reintönig oder purifiziert. Das bedeutet die einzelnen Stränge der Kveik wurden separiert/vereinzelt. Aber das ist eben nicht originalgetreu.
Der Einsatz von solchen Reinzuchthefen ermöglicht es, eine gleichbleibender Bier-Qualität unter definierten technologischen Bedingungen zu schaffen. Das ist auch der Grund, warum Kveiks in der modernen Brauerei nicht wirklich einen Platz finden. Denn unter Umständen erhält man auch beim gleichen Rezept recht unterschiedliche Biere. 👉 Das rote Tuch des industriell hergestellten Bieres.
Es wurden weitere Forschungen angestellt. Danach lassen sich folgende Eigenschaften feststellen:
- Sie gehört zur Saccharomyces cerevisiae (gewöhnliche obergärige Hefe zur Herstellung von Backwaren, Bier und Spirituosen)
- Separater Ast des Stammbaums der Brauhefen
- Bislang wurden nur Kveiks aus dem Westen bzw. Südwesten Norwegens entdeckt
Das bedeutet, die Kveik ist keine “Unterart” der Bierhefen, sondern eine eigenständige Gruppe der Ale Hefen. Bekannt sind 51 Kveiks. Alle bestehen aus mehreren Strängen und zum Teil aus Bakterien, bis auf Stranda.
Kveiks sind keine, wie man vielleicht annehmen könnte, wilden Hefen. Das schließt Lars Garshol unter anderem aus der Tatsache, dass alle bis auf zwei Kveiks nicht phenolisch sind (d.h. sie erzeugen kein Aroma nach Plastik, Verbranntem, Heftpflaster…). Denn wilde Hefen sind überwiegend phenolisch.
Kveik lässt sich anhand ihrer Merkmale in zwei Gruppen aufteilen. Spannend ist, dass sich diese beiden Gruppen auch geografisch einordnen lassen. Danach werden sie durch den Jostedal Gletscher getrennt.
Geschichte
Hier wird es etwas kompliziert, denn nichts genaues weiß man nicht…
Nach den Forschungen die Lars Garshol betrieben hat, wird Kveik der Hefe-Gruppe 1 zugeordnet. Diese Gruppe besteht aus Bierhefen aus Großbritannien/USA und Deutschland/Belgien. “Daneben”, aber innerhalb dieser Gruppe irgendwo sortiert sich Kveik ein.
Daraus schließt man, dass eine Hefe der Gruppe 1 vor Jahrhunderten Jahren das europäische Festland verlassen hat, nach Großbritannien und später nach Norwegen gelangt ist. Dort hat sie sich dann mit einer wilden Hefe gekreuzt. Sämtliche Kveik-Stämme gehen auf dieses “Kind” zurück.

Norwegens Farmhouse Brauer haben ihre eigenen Hausstämme benutzt und immer wieder geerntet und aufbewahrt. So haben sie gleichzeitig über Generationen Bier gebraut und eine sehr interessante Hefe archiviert, die nun dem modernen (Hobby-)Brauer zugänglich gemacht werden kann.
Fancy Aromen
Mit Kveik sind abgefahren Aromen möglich, aber auch super “cleane” Biere. Die Hefe ist sehr vielseitig. Das Aroma-Repertoire reicht von erdig-kräutrig über orangig-tropisch bis Sahne-Karamell. Als ich das zum ersten Mal las, dachte ich eher an Hopfenaromen. Ich musste es also selber testen und habe mir verschiedene Kveiks besorgt. Die erste Kveik habe ich mir bei der Brauerei Flügge aus Frankfurt besorgt. Hier sammelte ich die reintönige Sigmund Voss.
Nun wollte ich diese gerne mit dem originalem Voss-Stamm vergleichen und habe über Instagram verschiedene norwegische Heimbrauer angeschrieben. So konnte ich die Sigmund Gjernes ergattern. Dazu kamen dann noch die Lærdal und die Skare.

Ich habe dann ein recht simples Pale Ale gebraut und den Sud am Ende auf vier Gäreimer aufgeteilt und jeweils mit einer anderen Kveik vergoren. Herausgekommen sind vier sehr unterschiedliche Biere. Mein Aufzeichnungen möchte ich mit euch teilen:
[Pale Ale Rezept: 12,5°P, 30 IBU, 100% Pale Ale Malz, Kombirast bei 67°C, 60 Minuten gekocht, mit Herkules gebittert, etwas Comet 10 Minuten vor Kochende, vergoren bei 38°C]
Kveik | Geruch | Geschmack |
Sigmund Voss (reintönig) | Birne, Zitrus, Orange, Banane, Cocktail- kirschen | schlank aber nicht leer, leicht süßlich, angenehme Bittere |
Sigmund Gjernes | frischer ungebackenerBrotteig, Nelke, Organge, Birne, helle Trauben, leicht erdig | kernig, trocken, etwasnachhängende Bittere, leichte Säure |
Lærdal | Lösemittel, erdig, ledrig | sehr weich, leichte Säure, trockener Abgang, angenehme Bittere, im Abgang bleibt Lösemittelge- schmack |
Skare | Karamell, Pflaumen- mus, Bittermandel, Mandarine | süß-fruchtig, kräftigerKörper, weiches Mundgefühl |
Ihr seht, es sind wirklich komplett verschiedene Biere entstanden. Die Lærdal Variante zum Beispiel fand ich fast untrinkbar. Beide Voss Varianten passen super in ein Pale Ale und die Skare würde ich eher für dunkle Biere, wie Stouts verwenden.
Alle Biere sind ziemlich trüb geworden und haben einen sehr stabilen feinporigen Schaum.

Das Handling
Hier müssen sich (Hobby-)Brauer von allem verabschieden, was sie über Bierhefen gelernt haben. Die Gärtemperatur bei der sich Kveik richtig wohl fühlt liegt je nach Kveik bei 35 – 40°C. Bei diesen Temperaturen entstehen die typischen Aromen und das volle Potential wird ausgeschöpft.
Dementsprechend schnell geht die Gärung von statten. Dass ein Sud innerhalb von 48h durchgärt, ist keine Seltenheit. Hinzu kommt eine hohe Alkoholtoleranz von 13 bis zu 16 Vol.%. Andere Bierhefen geben bei einem solchem Alkoholgehalt vorher auf.
Auch die Menge der Hefe wird einige die Augen reiben lassen. Auf 20l Bier reicht ein EL dickbreiige Hefe aus!😮
Die mit Kveik vergorenen Biere sind extrem schnell “trinkfertig”. Es bedarf keiner langen Lagerung. Nach einer Woche darf das Bier bereits ins Glas und ist perfekt.👍
Ihr könnt die Kveik super ernten. Wichtig ist, die Hefe so zu ernten, wie sie traditionell geerntet wurde (Kräusen, Bodensatz oder beides). Denn, wie beschrieben, bestehen sie meist aus mehreren Hefesträngen und zum Teil auch aus Bakterien. Somit ist die Zellkonzentration zu einem bestimmten Zeitpunkt der Gärung einiger Stämme an einem Ort in der Würze höher, als an einem Anderen.
Erntet man also, wie es ursprünglich auch getan wurde, bleibt das Mengenverhältnis in der Mischkultur erhalten und das Abwandern der Eigenschaften verringert sich.

Maltøl – traditionelles norwegisches
Farmhousebier
Was genau brauen die Norweger nun mit ihrer Kveik?🤔 Hier hört man immer wieder: Maltøl (übersetzt Malzbier). Dies ist aber nur ein Überbegriff für norwegische Farmhouse Ales, die zum Teil auch mit Kveik gebraut werden. Die Bezeichnung rührt daher, dass früher in Norwegen “Øl”, also Bier für viele Getränke benutzt wurde, z.B. sirupsøl (Sirup Bier), bjørkesevjeøl (Birkensaft Bier), sukkerøl (Zucker Bier) usw…
Also zu sagen ich trinke ein Maltøl, ist als würde man sagen, ich trinke belgisches oder deutsches Bier. Es gibt sehr viele Biersorten, welche diesem Begriff zugeordnet werden. Maltøl lässt sich aber grundsätzlich in drei Kategorien aufteilen:
- Stjørdalsøl: dunkel, selbstgemälztes rauchiges Malz, mit kommerzieller Hefe
- Kornøl: hell, trüb, fruchtig, Raw-Ale (ungekocht),
mit Kveik vergoren und mit Wacholder versetzt - Vossaøl: dunkelrot bis braun, klar, süß, fruchtig, sehr lange gekocht, mit Kveik vergoren und mit Wacholder versetzt
Mit Kveik werden also unterschiedliche Biere hergestellt. Meistens wird neben Malz, Hopfen, Kveik und Wasser auch Wacholder verwendet. Dieser kommt beim Läutern zum Einsatz. Traditionell nutzt man Wacholderzweige. Diese werden am Topfboden dicht zusammengelegt und wirken als Filter beim Läutern, zusätzlich bringt man so die Wacholderaromen in die Würze.
Fazit
Kveik ist wirklich eine spannende Hefe und kann super für vor allem fruchtige Biere, wie Pale Ales oder IPAs verwendet werden. Möchte man das volle Aromapotential ausschöpfen, sollte man unbedingt darauf achten, sehr warm zu vergären oder zumindest anzustellen und nicht zu viel Hefe zu verwenden (Underpitching).
Haltet die Augen offen, auch kleine deutsche Craftbier Brauereien brauen mit Kveik. 😉
Zum Wohl!🍺
Paul
Hey, hast du auch Erfahrung mit der Stranda gemacht?
Hey! Nein, die habe ich leider noch nicht verwendet.😕