Immer mehr Hobbybrauer versuchen sich an NEIPAs und extrem hopfenbetonten Bieren. Eine Folge des übermäßigen Stopfens kann der sogenannte Hop Creep sein. Ein sich anschleichender und oft unbemerkter Prozess, der sich nach der vermeintlich abgeschlossenen Hauptgärung abspielt.

Hop Creep?
Was ist ein Hop Creep?
Der Begriff kommt aus Amerika und bezeichnet eine schleichende, unerwünschte Nachgärung bei hopfengestopften Bieren.
Vor allem in den letzten Jahren ist der Begriff in kommerziellen Craftbeer Kreisen aufgetaucht. Die Allagash Brewery aus Portland, ME hat 2016 festgestellt, dass ihr Hoppy Table Beer nach der Flaschengärung übermäßig karbonisiert war. Man versuchte die Ursache für dieses Phänomen zu erforschen und arbeitete im Folgenden mit Dr. Tom Shellhammer von der Oregon State University zusammen.
Dabei fand man heraus, dass Hopfen mehrere amylolytische Enzyme, darunter Amyloglucosidase (AMG) enthält. Diese stärkeabbauenden Enzyme wandeln unvergärbare Dextrine in kurzkettige Mehrfachzucker, wie z.B. Maltotriose, Maltose und Glukose um. In Anwesenheit von Hefe werden anschließend Glukose und Maltose während einer weiteren Gärung in Alkohol, CO2 und in -meist unerwünschte- Gärnebenprodukte umgewandelt.
Voraussetzung ist also:
(1) ein gewisser Anteil an nicht vergärbarem Extrakt (Dextrine) in der Würze oder im Bier,
(2) lebende Hefe in Suspension und
(3) die Zugabe von Hopfen zu gärendem oder gegorenem Bier.
Genau diese Voraussetzungen liegen vor allem bei den sehr beliebten NEIPAs vor.
Das Phänomen wurde übrigens bereits früher behandelt. Geriet aber in Vergessenheit. Zuletzt wurde es von Janicki im Jahr 1941 und fast 50 Jahre früher, 1893, von Brown und Morris in der englischen Publikation The Brewers Guardian beschrieben.
Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der diastatischen Kraft des Hopfens.

Was sind die Folgen?
Durch die zusätzliche Gärung kann der Alkoholgehalt und die Karbonisierung ansteigen. Der höhere Vergärungsgrad und der damit verbundenen reduzierten Restsüße führt auch zu geschmacklichen Veränderungen, wie geringerer Vollmundigkeit und einem anderem Mundgefühl. Für den Brauer fast noch schlimmer ist aber die Diacetylbildung. In Verbindung mit den fruchtigen Hopfenaromen können die Biere eine Art “Sahnebonbon”/Karamell-Aroma annehmen.
Was weiß man bisher?
Das Problem ist, dass die diastatische Kraft des Hopfens zwar bewiesener Maßen vorhanden, diese aber insgesamt (noch) unvorhersehbar ist. Sie hängt z.B. von Faktoren wie Ernteschwankungen und Verarbeitungsform ab. Laut Untersuchungen der Oregon State University haben manche Hopfensorten eine höhere diastatische Kraft als andere. Auch die Darrung spielt eine Rolle.
Das Thema ist noch recht theoretisch. Um mal etwas konkreter zu werden: Ein 2018 im Journal of the American Society of Brewing Chemists veröffentlichter Artikel beschreibt die (unbewiesene) Theorie, dass die Genetik des Hopfens einen Einfluss auf seine Aktivität zu haben scheint, wobei Amarillo und Cascade den Alkoholgehalt und den Restextrakt stärker verändern als Simcoe, Centennial und Citra.
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Was kann man dagegen tun?
Es ist zwar nicht unbedingt möglich, den Hop Creep gänzlich zu verhindern, aber es ist möglich, ihn zu überwachen, zu reduzieren und zu kontrollieren.
Je weniger Pflanzenmaterial, desto besser
Man weiß, dass die Enzyme aus dem Grünmaterial der Hopfendolden stammen. Das bedeutet, angereicherte T45- Pellets oder Cryo Hopfen sollten im Kaltbereich der T90-Variante vorgezogen werden. Zudem sind Hopfen und Aromaextrakte bestens geeignet.

Stopftemperatur
Ein sogenannter Softcrash sorgt dafür, dass sich die in schwebe befindliche Hefe etwas absetzen kann. Dabei wird das Jungbier nach abgeschlossener Hauptgärung, vor der Stopfhopfenzugabe auf ca. 12°C – 15°C abgekühlt. Die Hefe kann so anschließend umgewandelte Dextrine nicht mehr verstoffwechseln.
Kurze Kontaktzeit
Eine kurze Kontaktzeit wird auch im Zusammenhang mit Hop Burn, einem anderem Phänomen hopfengestopfter Biere, empfohlen. Zwei bis drei Tage reichen absolut aus, um vorhandene Öle ins Bier übergehen zu lassen. Durch eine kürzere “Einwirkzeit” können die amylotischen Enzyme ihre Arbeit evtl. erst gar nicht aufnehmen.
Entgegen der allgemeinen Meinung zeigt eine 2012 an der Oregon State University durchgeführte Studie, dass die Intensität des Hopfenaromas nach einer sechsstündigen und einer viertägigen Trockenhopfung mit T90 Pellets gleich ist und dass es nur 24 Stunden dauert, bis Linalool und Myrcen fast vollständig extrahiert sind.
Darüber hinaus haben Forscher herausgefunden, dass kürzere Stopfzeiten mit fruchtigeren und aromatischeren Merkmalen einhergehen, während längere Trockenhopfungszeiten mit polyphenolischen Kräuternoten verbunden sind.
Wie Scott Janish, Autor von The New IPA: Scientific Guide to Hop Aroma and Flavor, in einem Papier der Master Brewers Association of the Americas aus dem Jahr 2021 zum Thema Kalthopfung beschrieb, kamen Untersuchungen der Oregon State University zu dem Schluss, dass die Trockenhopfung bei 10°C im Vergleich zu 20°C über einen Zeitraum von nur ein bis zwei Tagen zur Bildung von weniger Gärungsstoffen führt.

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Gabezeitpunkt
Ein anderer Ansatz der z.B. vom Brewing Solutions Team von BarthHaas verfolgt wird, ist nicht nach abgeschlossener Hauptgärung zu stopfen, sondern am Ende der Hauptgärung bei ca. 5% SVG. Es sind noch genug Hefezellen in Schwebe. Entstandenes Diacetyl kann so anschließend spätestens bei einer Diacetylrast abgebaut werden.
Dies widerspricht jedoch in Teilen der zuvor beschriebenen kurzen Kontaktzeit. Jedenfalls ist dieser Prozess für uns Hobbybrauer kaum anders händelbar, als das Bier dann auch länger auf dem Hopfen zu lassen.
Acetolactat-Decarboxylase
Ok, was? Acetolactat-Decarboxylase baut das im Bier unerwünschte Diacetyl ab. Das ist nicht unbedingt Hobbybrauer-geeignet und verstößt auch gegen das Reinheitsgebot, aber ich wollte es nicht unerwähnt lassen. Damit löst man auch nur einen Teil des Problems, denn der Alkoholgehalt und die Karbonisierung wird trotzdem höher als berechnet sein. Das bringt es mich zu meinem letzten Punkt:
Hop Creep berechnen
Wie beschrieben ist der Hop Creep ein unaufhaltsamer Prozess, der meist im Keg oder schlimmer in der Flasche/Dose stattfindet. Dabei können sogenannte Flaschenbomben entstehen. Man kann mit tiefen Stopftemperaturen versuchen die diastatische Hopfenkraft zu umgehen, aber dies wird nicht immer gelingen. Man kann den Hop Creep aber auch berechnen und so in den Brauprozess integrieren.
An dieser Stelle kommt wieder Dr. Shellhammer ins Spiel. Zusammen mit Arnbjørn Stokholm und Lindsey N. Rubottom hat er 2020 eine Studie dazu veröffentlicht. Man bediente sich dafür der guten alten Schnellvergärprobe und hat im Labor 500ml Würze bei 20°C unter ständigem Rühren vergoren. Die gleiche Würze die parallel auf einer industriellen Anlage gebraut und später mit der gleichen Hefe vergoren wurde.
Bei einer zweiten Probe, kamen 5 Gramm von dem Hopfen dazu, der auch in der Brauerei zum Stopfen genutzt wurde. Nach 48h und 72h wurde jeweils der Restextrakt und der scheinbare Vergärgrad gemessen. Durch den Vergleich der Ergebnisse konnte man den Dextrinabbau für den großen Sud besser vorhersehen.
Mittlerweile gibt es weitere Studien dazu. Es würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen, deshalb kurz und knapp: Wissenschaftler habe eine reproduzierbare Polysaccharidsupsension aus Kartoffelstärke hergestellt und diese mit verschiedenem Hopfen versetzt. Dadurch lies sich der Stärkeabbau in Zahlen fassen. Gut möglich also, dass demnächst neben den Angaben zu Alphawert und Erntejahr auch noch die diastatische Kraft auf Hopfenpackungen angegeben wird.
Fazit
Das Thema wird aktuell heiß diskutiert und energisch untersucht. Ich denke, dass es hierzu bald noch weitere Studien geben wird und wir sehr bald in der Lage sein werden, den Hop Creep noch besser zu verstehen.
Quellen
- Hop Creep – Technical Brief: Arnbjørn Stokholm and Thomas H. Shellhammer, Oregon State University, Corvallis, Oregon
- Barth Haas, Hop Creep – die diastatische Kraft des Hopfens, Sylvia Kopp
- Precision Fementation, Hop Creep: Causes, Effects and Prevention, Tara Nurin
Sehr informativ! So detailliert hatte ich mich mit dem Thema noch gar nicht beschäftigt.
Danke für die Anregung, Friedie.
LG Tobi
Danke dir, ja ich hatte auch schon öfter solche Phänomene ohne genaueres zu wissen, zur Zeit wird das Thema echt intensiv untersucht. Sehr spannend.