Vor Kurzem habe ich eine Grisette gebraut. Ein historischer Bierstil, entstanden im Westen Belgiens. Im Netz findet man nur wenige Informationen dazu. Einige englische Webseiten beschäftigen sich mit diesem Bierstil. Ich habe aus den unterschiedlichen Quellen mal ein paar Infos zusammengetragen.
Herkunft
Mal wieder haben’s die Belgier erfunden. Die Grisette kommt, wie auch das Saison aus der Provinz Hennegau, dem französischsprachigen Süden Belgiens. Hier wurde die (europäische) industrielle Revolution voran getrieben und unter Anderem Kohle abgebaut. Aber auch die Zementherstellung und Metallverarbeitung waren Schwerpunkte der Region.
☝Vorsicht #funfact: In der Hennegau wurde damals mehr
Steinkohle abgebaut, als in Deutschland
und Frankreich zusammen.
Wie das Saison entstand die Grisette Anfang des 19 Jahrhunderts als einfaches Arbeiterbier. Während das Saison für die Landarbeiter und Bauern gedacht war, braute man die Grisette speziell für die hart arbeitenden “Kumpel” aus den Bergwerken.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Grisette aber nicht mehr nur an das arbeitende Volk ausgeschenkt, sondern war auch über die Provinzgrenzen hinaus bekannt. Die Grisette wurde damals z.B. sogar in Brüssel gebraut. In der Blütezeit der belgischen Kohleindustrie soll es über 30 verschiedene Sorten Grisette gegeben haben.
Der Name
Es gibt verschiedene Theorien, wie der Name “Grisette” entstanden sein könnte.
- Benannt nach dem grauen Porphyrgestein, welches in der Region häufig vorkommt
- Als Bezeichnung der Bierfarbe. Es gibt Aufzeichnungen in denen Biere, welche zwischen einer sehr hellen Farbe und bernsteinfarben lagen, einfach als “gris” (frz. gris = grau) bezeichnet wurden
Die schönste Variante: Grisette wurden damals auch unverheiratete, junge Frauen genannt, die oftmals graue Kleider anhatten. Sie bestreiteten ihren Lebensunterhalt meist selbst durch verschiedene Arbeiten. So besagt der Volksmund, dass die Frauen bei Schichtende an den Toren der Fabriken und Zechen mit Tabletts voller kühlem Bier aus der Umgebung auf die durstigen Arbeiter warteten.🙋♀️
Der Stil – Was macht die Grisette aus?
Zunächst wurde mehrstufig gemaischt. In der Schüttung findet sich ganz unkompliziert helles Weizen- und Gerstenmalz wieder. Der Hopfen wurde zu 25-50% am Anfang gegeben und ein feiner Aromahopfen zu 50-75% im letzten Drittel. Das führte zu einem schönem Hopfenaroma. Vergoren wurde die Grisette mit einer Saisonhefe, aber bei etwas kühleren Temperaturen, um die Esterbildung etwas zu minimieren.
Die Grisette war ein strohgelbes bis goldfarbenes, sehr erfrischend – knackiges Weizenbier mit wenig Restsüße, angenehmen Hopfenaroma, einer milden Herbe und moderatem Alkoholgehalt.
Grisette wird gern als Bier-Familie bezeichnet. Drei übergeordnete Varianten haben sich heraus gebildet:
- junge/gewöhnliche Grisette
- das ganze Jahr über gebraut, zum schnellen Verzehr
- Grisette de saison und double oder supérieure Grisette
- stärker eingebraute Varianten, die länger lagerten
Sauer oder nicht?
Die Frage, ob die historische Grisette mit Brettanomyces und/oder Milchsäurekulturen vergoren wurde steht immer wieder im Raum.
👉Hier findet ihr übrigens Infos zu Brettanomyces und Milchsäurekulturen:
Berliner Weisse – Eine Geschichte von Brettanomyces und Lactobacillus
Realistisch scheint es zu sein, dass die Grisette obergärig vergoren wurde. Dabei dürften ähnliche Hefen, wie beim Bierstil Saison zum Einsatz gekommen sein.
Ebenfalls wurden Brett und Lactobazillus (Milchsäure) eingesetzt. Jedoch war der Charakter der Grisette nicht durch diese Kulturen geprägt. Dazu wurde die gewöhnliche Grisette zu schnell getrunken und die stärkeren Varianten mit mehr Hopfen eingebraut um die Kulturen zu hemmen, bis die Biere ausgetrunken wurden.
Meine Variante
Ich habe mich für eine Kombination aus modern-interpretierter und historischer Grisette entschieden. So ist meine Schüttung etwas komplizierter geworden. Die Idee dazu habe ich zum Teil aus einem amerikanischen Hobbybrauerforum. Die Amis sind ja dafür bekannt, die Schüttungen sehr komplex zu gestalten. 😅
Das Rezept
- Stammwürze: 9°P
- Alk: ca. 3,8 Vol.% (EVG ca. 90%)
- IBU: 25
- EBC: 9
- für 40l
Schüttung
- 59% Pilsener Malz
- 17% Weizenmalz
- 8% Haferflocken
- 7% Dinkel
- 7% Wienermalz
- 1% Rauchmalz
Maischen
- 60 Minuten bei 67°C
- Abmaischen bei 78°C
Kochen (60 Minuten)
- 12g Glacier (5,4%): Vorderwürzhopfung
- 7g Herkules (16,1%): 60 Minuten
- 40g Glacier (5,4%): Flameout
Hefe
- Wyeast #3711 – French Saison
Ich habe den Sud vor der Gärung aufgeteilt. 20l wurden mit einer Saisonhefe vergoren und der andere Teil mit Erntehefe vom Flanders Red Ale (Roeselare Blend).
👉Hier gehts zum Bericht vom Brautag des Flanders Red Ale:
Das „Flanders Red Ale“ – Projekt –
Die Biere sind nun soweit mit der Gärung durch und wurden erneut aufgeteilt. Jeweils 10l des Saisonhefe-Variante und 10l des Erntehefe Batches werden mit Wacholderbeeren gestopft. Deshalb habe ich auch noch einen kleinen Teil an Rauchmalz dazu gegeben. Auf der einen Seite gibt es den beiden “herkömmlichen” Varianten einen kleinen Kick und auf der anderen Seite harmoniert Rauchmalz sehr schön mit Wacholder.
Ich bin gespannt auf die Ergebnisse. 1 Sud, 4 verschiedene Biere.🤓
Zum Wohl🍺
Paul
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