Am Wochenende wurde endlich mal wieder gebraut. Und was ist es geworden? Ein IPA, ein hoppy Lager, oder ein Stout? Nein. Es wurde ein Grätzer eingebraut.
Die Meisten werden jetzt sagen: Was hast du gebraut? Ein Grätzer? Was soll das sein? Erzähl ich euch. Ich hatte von dem Bierstil zwar schon gehört, aber ihn nie richtig auf der Kappe gehabt. Durch einen Artikel im craftbeer-magazin wurde meine Neugier geweckt und ich fing an zu recherchieren.
Das Grätzer
Die Entstehung des Grätzer’s: Oook, dazu muss ich etwas ausholen. Schenkt euch nochmal nach, wir müssen etwas zurück: 🔁 Anfang des 14. Jhd. Zu dieser Zeit erhält das kleine polnische Örtchen Grodziskie, auch bekannt als Grätz, eigene Stadtrechte. Um diese Zeit dürfte auch das erste Grodziskie (Grätzer) gebraut worden sein. Ob das jedoch, wie das heute bekannte Grätzer schmeckte, darf man bezweifeln.

Grätz war schon immer ein Zentrum des Brauwesens. So kann man annehmen, dass hier auch verschiedene andere Biere gebraut wurden. Zunächst wurde das Grätzer -typisch für diese Zeit- häuslich-handwerklich hergestellt und etwa ab Mitte des 16 Jhd. auch industriell.
Rasch breitet sich das Grätzer in den ländlichen Gegenden um die Stadt herum aus. Im Jahr 1601 vergab man dann die ersten Privilegien für Braurechte.
Die Legende des Bernard von Wabrzezno
Dann der Schock! Die Brunnen versiegten. Selbst der Größte, welcher das berühmte Grätzer Brauwasser lieferte, war ausgetrocknet. Als der Mönch Bernard von Wabrzezno Anfang des 16. Jhd. nach Grätz kam, fand er ein ausgestorbenes Örtchen vor. Die Pest wütete. Bernard fiel vor dem Brunnen auf die Knie und fing an zu beten. Der Brunnen füllte sich wieder mit Wasser, welches besseres Bier, als je zuvor hervorbrachte und nebenbei jeden heilte, der es trank. Nach seinem Tod pilgerten die Einwohner aus Grätz regelmäßig an sein Grab in Lubiń. Immer dabei: ein Fass des besten Grätzer-Bieres. Diese Tradition hielt sich, solange Bier in Grätz gebraut wurde.
Der polnische Champagner
Ende des 18. Jhd. gab es bereits 53 Brauereien in Grodziskie, das nun zu Preußen gehört und auch Grätz genannt wurde. Die Sage des Bernard von Wabrzezno hatte sich herumgesprochen, so wurde dem Grätzer-Bier nachgesagt, dass es gegen Kopfschmerzen helfen solle. In ganz Europa wird bald Grätzer getrunken. Der “polnische Champagner”, wie das es aufgrund seiner Spritzigkeit auch genannt wird, erfreut sich einer sehr großen Beliebtheit. Ende des 19. Jhd. / Anfang des 20. Jhd. beträgt der jährliche Ausstoß bereits 100.000 Hektoliter. Das Bier wird in 37 Länder exportiert.
Die Bedeutung des Grätzer-Bieres erkennt man auch daran, dass Brauereien in anderen Ländern diesen Bierstil in ihr Repertoire aufnahmen. So zum Beispiel die Monopol Brauerei, Berlin.
Durch regen Fleiß und hohe Intelligenz und unter dem Einflusse von angeblich hervorragendem Brunnenwasser … haben sie es verstanden, ein weit und breit berühmtes Bier aus Weizenmalz zu brauen, das seinen Ruf durch die Jahrhunderte bewahrt hat und heutzutage als ein hochedles, erfrischendes und pikantes Getränk den besten der obergärigen Biere zuzuzählen ist.
– Franz Schönfeld, VLB Berlin
Das Lager übernimmt – das Grätzer geht
Die weltweite Ausbreitung des Lagerbieres führte auch beim Grätzer dazu, dass bald 4 der 5 Grätzer-Brauereien ihren Betrieb einstellen mussten. Die letzte verbliebene Brauerei kämpfte ums Überleben und wurde nach dem 2. Weltkrieg auch noch verstaatlicht. Auf der Prioritätenliste der Sowjetunion standen polnische Spezialitäten nicht sehr weit oben. So dümpelte die Produktion vor sich hin und das Grätzer wurde nur noch in der Stadt selbst und der direkten Umgebung getrunken.
Den letzten Versuch unternahm die Brauerei Lech. Nach dem Zerfall der Sowjetunion kauft sie die letzte Grätzer Brauerei, aber gab den Versuch, an einstige Zeiten anzuknüpfen 1993 auch schon wieder auf.
Was macht ein Grätzer aus?
Die Stammwürze des polnischen Bieres ist verhältnismäßig niedrig und liegt bei ca. 7,7°P. Daraus resultiert auch der geringe Alkoholgehalt zwischen 2,5 bis 3,1 Vol.%.
Das Grätzer wird zu 100% aus eichengeräucherten Weizenmalz gebraut. Halt, halt! Wer jetzt das Gesicht verzieht, weil er bei Rauchbier an Schwarzwälderschinken denkt, dem sei gesagt: Rauchbiere wie Schlenkerla werden meistens mit Buchenrauchmalz gebraut. Über Eichenrauch geräuchertes Malz bringt ein weicheres und vielschichtigeres Raucharoma ein. Oft wird gesagt, das Grätzer-Aroma erinnere an Rauchmandeln.
Die Bitterkeit liegt zwischen 20 bis 22 IBU (International Bitter Units). Dazu wurde traditionell die Aromahopfensorte Nowotomyski aus der nahen Umgebung genutzt.
Wie oben schon geschrieben wird Grätzer weizenbiertypisch stark karbonisiert. Der Geschmack wird von rauchigen Noten und einem würzigen Hopfenaroma dominiert. Die Farbe ist stroh- bis goldgelb.
Früher wurde das Grätzer wohl mit zwei verschiedenen Hefen vergoren und danach mit Hausenblase geklärt, da das Jungbier so trüb war.
☝️Vorsicht #funfact: Die Hausenblase ist die getrocknete
Schwimmblase des Hausen (Fisch), der in den Flüssen um das Kaspische und das Schwarze Meer heimisch ist
und der hauptsächlich der Gewinnung
von Kaviar dient.
Der Brautag
Rezept
Für 30 l Bier
Bittere: 29 IBU | Stammwürze: 9,0 °P | RE: 3,8 °P | sEVG: 52,5 % | Alk.: 3 % Vol.
Schüttung:
5 kg eichenholzgeräuchertes Weizenmalz
Hauptguss 12l | Nachguss 15l
Maischen:
1. Rast 45 °C für 30 Min
2. Rast 52 °C für 40 Min
3. Rast 72°C für 30 Min
Abmaischen bei 78°C
Würzekochen: – 70 Minuten –
40 g Saazer 3,4 % als Vorderwürzehopfung
13 g Perle 7 % für 30 Min
9 g Tettnanger 2,9 % für 30 Min
20 g Hallertauer Mittelfrüher 4 % für 10 min
ergibt 22l mit 13,2°P Stammwürze
Vor Gärung verdünnt mit 10 l Wasser auf 32 l mit 9°P
Hefe: Safbrew S-33 bei 18 °C
Klärung: cold crash
Karbonisierung: mit Zucker auf ca. 6 g CO2/l
Nachgärung: Flaschengärung
Da ich meine Braueule vor Kurzem verkauft habe😓, um demnächst auf eine andere Anlage umzusteigen😆, musste ich Brauasyl einholen. Meinen Kumpel Christian hatte ich vom Grätzer schnell überzeugt und so trafen wir uns letzten Sonntag bei ihm und los ging es! Unser Ziel war es nicht, so nah wie möglich an das Original heran zukommen, sondern 30l unserer eigenen Interpretation des traditionellen Bieres zu kreieren.
Zuerst wurden 5 Kg Eichenrauch Weizenmalz geschrotet. Weizenmalz besitzt keine Spelzen. Diese sind zum Läutern aber sehr wichtig, da sie die Filterschicht bilden. Um das Problem zu umgehen, hatte ich noch Dinkelspelzen bestellt. Diese werden eigentlich zum Kissenstopfen benutzt. Der Versuch diese auch zu schroten, war nicht erfolgreich, da sie -aufgrund des geringen Gewichts- nicht durch die Walzen rutschen wollten. Also haben wir sie einfach so mit eingemaischt.

Das rauchige Aroma des Malzes breitete sich sofort im Raum aus.
Bei der Rastenführung haben wir uns an die Berichte gehalten, die wir zu diesem Bier gefunden haben. Die 60er Temperaturen werden komplett übersprungen, da wir einen niedrigen Vergärungsgrad angestrebt haben.
Während der ausgedehnten Läuterruhe konnte ich noch einmal im Schneechaos❄️ nach Hause fahren, da ich den Hopfen vergessen hatte. Das Läutern gestaltete sich erwartungsgemäß schwierig. Die Dinkelspelzen schwommen oben und bildeten keine Filterschicht. Die Würze lief sehr trüb und zäh aus dem Hahn und das Läutersieb setzte sich ständig zu. Aber nach 2 Stunden hatten wir es dann geschafft und ca. 25l Würze waren in der Pfanne.
Einen polnischen Hopfen hatte keiner von uns beiden auf Lager. Wir entschieden uns für ein Deutsch-Tschechisches Aromahopfengemisch. 😅
Nach 70 Minuten kochen, wurde die Würze abgekühlt und anschließend in den Gärbottich gefüllt. Herauskamen 22l mit einer Stammwürze von 13,2°P. Diese wurde dann mit 10l Wasser auf 9°P verdünnt. Jetzt konnte die niedrig vergärende Hefe S-33 endlich loslegen.
Ein erfolgreicher Brautag ging nach dem Saubermachen zu Ende.
Übrigens wird das Grätzer heute wieder häufiger gebraut. 2011 gab es eine Hobbybrauerbewegung, die das traditionelle Bier wieder zum Leben erwecken wollte und große Recherchearbeiten anstellten, um das alte Rezept zu rekonstruieren. Auch die lebendige Craftbeer-Szene in Polen stellt Grätzer her.
Eine der alten Grätzer-Brauereien wurde auch wieder eröffnet und es gibt sogar ein jährlich stattfindendes Grätzer-Festival in Polen. Hier wird auch immer ein Hobbybrauerwettbewerb ausgetragen. Dabei wird das beste originale Grätzer gesucht, sowie die beste Grätzer Variation.
Vielleicht schicken wir ja ein paar Flaschen unserer Variante ein. Aber erstmal abwarten was dabei herauskommt.🙃
Zum Wohl🍺
Paul
Edit: Die Verkostung: Klick!
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