Am Wochenende habe ich mein erstes echtes Sauerbier gebraut. Eine Berliner Weisse! Ich dachte das ist Grund genug euch im 1. Teil mal ein paar Infos zu diesem Bierstil zu geben. Was macht es aus? Wie ist es entstanden? Im 2. Teil nehme ich euch dann mit auf meine Rezeptfindungstour und gebe ein paar Einblicke in den Brautag.
Erstes echtes Sauerbier? Ja! ich habe schon mal eine Fake oder Schummel Gose gebraut. Dabei wurde die Säure mittels Milchsäure (80%ig) eingestellt. Dies ist ein probates Mittel, um keine Milchsäurebakterien einsetzen zu müssen. Aber jetzt war ich bereit für echtes Sauerbier. 🤨 💪
Champagner des Nordens
Gerade weil die Berliner Weisse immer wieder mit Sirup geschändet wird, ist es mir ein Anliegen ein paar Worte zu diesem traditionellen Bierstil loszuwerden. Die Berliner Weisse ist zur Zeit nur noch ein Schatten ihrer selbst. Auch die Kindl-Weisse ist leider nur ein bescheidener Versuch sie wiederzubeleben.
Zum Zeitpunkt der genauen Entstehung gibt es unterschiedliche Quellen. Jedoch wird die Berliner Weisse erstmals in einer Urkunde von 1680 erwähnt. Das Weißbier wurde – wie es der Name schon vermuten lässt, in Berlin – zum ersten Mal gebraut.
Angefangen hat alles mit Cord Broyhan und seiner Reise nach Hamburg. Dort trank er reichlich regionales Bier. Nach der Rückkehr in seine Heimat Hannover wollte er dieses Bier nachbrauen und entwickelte das “Broyhan”. Dieser wurde zum Exportschlager der Stadt. Über Cord Broyhan und sein Bier könnte man einen eigenen Artikel schreiben. Aber kurz gesagt: Über den Broyhan gibt es unterschiedlichste Quellen und Berichte. Man kann nur erahnen, wie das Bier geschmeckt haben muss. Außerdem war es wohl mehr ein “Brauunfall”. Der Broyhan war vermutlich ein mit Gersten- und Weizenmalzanteilen gebrautes Bier, mit säuerlicher Note. Er war sehr hell und im Geruch und Geschmack einem jungen Weißwein ähnlich.
Berliner Brauern gelang es dann das Rezept anzupassen, welches das Vorbild in „Wohlgeschmack und Bekömmlichkeit noch übertraf“. 👉 Berliner Weisse
Ab 1700 wurde die Berliner Weisse das Lieblingsbier der Hauptstädter. Um 1800 hatte Berlin über 700 Weißbierkneipen. Heute kaum vorstellbar, aber das Pils war zu dem Zeitpunkt auch noch nicht erfunden worden. Berlin mauserte sich bis Mitte des 19 Jhd. zu einer der Bierhauptstädte Europas mit hunderten Brauereien. Alle brauten den Champagner des Nordens, wie die Berliner Weisse von Napoleonischen Truppen gennant wurde.
Anfang des 20. Jhd. wurde begonnen die Weisse mit grünem Waldmeister-, rotem Himbeersirup, Korn oder Kümmelschnaps zu panschen. Damit sollte der säuerliche Geschmack übertüncht werden.🤯
Vorsicht Appell: ☝☝☝ Eine gut gebraute und gereifte Berliner Weisse braucht solche Zusätze nicht. Nur pur kann man die feinen Aromen auch schmecken. ☝☝☝
In den darauffolgenden Jahren wurde dieser hervorragende Bierstil durch das Pils verdrängt.

Zutaten und Geschmack
Die Berliner Weisse wird ausschließlich mit Weizen- und Gerstenmalz gebraut und kommt strohgelb und trüb ins Glas (nach längerer Lagerung klärt sich das Bier auch). Die Stammwürze beträgt 7 bis 9°P, somit liegt der Alkoholgehalt bei ca. 2-4 Vol.%.
Die Würze wird mit einer Mischung aus obergäriger Hefe und Milchsäurebakterien (Lactobacillus) vergoren. Letztere dominieren mit milden Apfelaromen. Eine frische, trockene Säure wird begleitet von erdigen und zum Teil getreidigen Noten. Die Hopfenbittere ist quasi nicht vorhanden und nicht relevant für diesen Bierstil. Der Körper ist schlank und crispy. Die Berliner Weisse wird typischerweise hoch karbonisiert.
Der Weissen kann auch noch Brettanomyces hinzugegeben werden. Diese sorgen für sehr feine Aromen.
Britischer Pilz
Brettano-was? Die Brettanomyces (kurz: Brett, deutsch: britischer Pilz) ist eine wilde Hefe, die auf der Haut von Früchten zu Hause ist und früher oft (ungewollt) in britischen Ales vorkam. Brauer haben diese Hefe später kultiviert und setzen sie nun ganz gezielt ein. Der Geschmack kann von Stall/Ziegenbock/Pferdedecke, über ledrig/erdig, bis hin zu fruchtig/Kirschkuchenmäßig reichen. Oft werden diese Aromen als “Funky” bezeichnet.
Funk – Könnte man als harmonische Zusammenkunft von Geschmacksaromen beschreiben, die normalerweise als Fehler im Bier deklariert werden. Brettanomyces verleihen dem Bier einen ganz speziellen Charakter, abseits der Geschmacksreichweite der herkömmlichen Bierhefen.
Normalerweise gilt der Kontakt mit Brettanomyces als Kontamination, aber bei einigen Biertypen ist Brett ein fundamentaler Bestandteil des Aromaprofils z.B.
- Oud Bruins
- Sour Ales
- Flanders Red Ales
Auch in der Berliner Weisse sollte Brettanomyces vorhanden sein:
In traditionell hergestelltem Berliner Weißbier ist das Vorhandensein der Hefe Brettanomyces bruxellensis obligatorisch. Das Aroma wird durch diese Hefe sehr stark geprägt.
– Professor Methner, TU Berlin in seiner Dissertation von 1987
Traditionell führte nur eine Mischkultur aus Lactobacillus und Brettanomyces zu der charakteristischen Mischung aus Estern und Säuren. Deshalb ist es der belgischen Geuze auch sehr ähnlich.
Brettanomyces sind schwierig einzuschätzen und man weiß nicht, was am Ende dabei herauskommt. Im Gegensatz zu “herkömmlichen” Bierhefen (Saccharomyces) kann man bei Brett nur erahnen, wie sich die Aromen gestalten werden. Michael Dawson, Brand Manager bei Wyeast schrieb dazu sehr passend:
“Saccharomyces is like a dog and Brett is like a cat. It’s a little less predictable. It’s going to do its own thing; it’s not going to come when you call it and sit when you say sit. If you can respect its individuality and suggest rather than dictate what it does in your fermentation, it can reward the brewer and the drinker.”
Es gibt drei populäre Brett-Stränge, mit unterschiedlichsten Aromaausprägungen:
- Brettanomyces bruxellensis
- “Pferdedecken-Aroma” (z.B. im Orval verwendet)
- Brettanomyces lambicus
- Sauerkirsche (in Flanders Red Ales und Sour Ales verwendet)
- Brettanomyces claussenii
- überreife Ananas (z.B. in fassgereiften Bieren verwendet)
Wenn es traditionell so gemacht wurde, dann musste ich auch unbedingt mit Brett arbeiten und den gewissen “Funk” 🧙♂️ ins Bier bringen. Da diese Hefesorte nur schwer kaputt zu bekommen ist, kann man Hobbybrauern nur empfehlen mit seperaten Equipment zu arbeiten, um Folgesude nicht zu kontaminieren. Auch ich habe ich mir ein extra Gärfass besorgt.
“Lacto” und “Pedio”
Ich habe nun schon mehrfach von Milchsäurebakterien gesprochen. Zwei Vertreter sind bei der Sauerbierherstellung zu nennen:
- Lactobacillus (In Gose oder Berliner Weisse verwendet)
- Pediococcus (In Flanders Red Ale’s oder Lambics verwendet)
Hier sprechen wir nicht von Hefen, sondern von Bakterien. Diese setzen den in der Würze befindlichen Zucker ebenso um, wie normale Bierhefen. Jedoch entsteht dabei kein Alkohol, sondern Milchsäure. Der pH Wert des Jungbieres sinkt, es wird sauer.
Pedios entwickeln eine harschere Säure im gegensatz zur klaren, reinen Säure die bei der Verwendung von Lactos entsteht. Pedios entwickeln neben Säure auch andere “funky” Aromen und arbeiten gut mit Brettanomyces zusammen.
Im 2. Teil dann mehr zu meinem Rezept und dem Brautag: Klick
Und hier gehts zu Berliner Weisse – das Ergebnis
Zum Wohl! 🍺
Paul
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